
Bramsche. Vor nicht ganz 20 Jahren wurde in der Tuchmacherstadt erstmals eine Ausbildungsplatzbörse angeboten. Doch diese ist inzwischen nicht mehr vergleichbar mit dem heutigen Berufsorientierungsparcours (BOP) – einem großen, zweitägigen Mitmach- und Austauschforum von Schülern, Eltern, Lehrern, Arbeitsvermittlern und Unternehmern. Mehr Schüler als Lehrstellenangebote, das war einmal. Firmenvertreter hinter schmucklos gestalteten Tischen mit lieblos angefertigten Info-Blättchen oder vor wenig einladend wirkenden Schautafeln. Auch das war einmal. Wer sich als Arbeitgeber im laufenden Sommer so präsentiert, ist im Wettrennen um die besten Auszubildenden in der Region chancenlos.
„Der Ansatz damals war es, an das soziale Gewissen der Betriebe zu appellieren, auch weniger qualifizierten Jugendlichen einen Ausbildungsberuf vorzustellen“, erinnert sich der Bramscher Wirtschaftsförderer Klaus Sandhaus, „während es früher einen erheblichen Bewerberüberhang gab, gibt es heute haben in mehreren Branchen das Problem unbesetzter Lehrstellen.“ Damals seien die Anbieter der Ausbildungsplatzbörsen „mit Mühe auf 20 bis 25 Betriebe“ gekommen, sagt Sandhaus, heute seien es „spielend 40 Betriebe, die sich in hohen Maße für das Thema der Fachkräftesicherung interessieren“.
In Bramsche wenden die Vertreter der ortsansässigen Schulen, der städtischen Wirtschaftsförderung, der Maßarbeit des Landkreises Osnabrück und der örtlichen Firmen inzwischen bei diversen Vorbereitungstreffen viel Zeit auf, um den nächsten BOP möglichst attraktiv zu gestalten. Die Köpfe rauchen entsprechend. An den Ständen des Berufsorientierungsparcours regieren schließlich nicht mehr die besagten Faltblätter und Broschüren, sondern die vielen Mitmachangebote. Maschinen sind beispielsweise aufgebaut, um sich aus einem Stück Metall schnell einen Handyständer für das Smartphone zu stanzen und zu biegen. Zeitgleich gibt es im Kleinbagger auf dem Schulhof die Möglichkeit zum Probelenken sowie im Nachbarraum jene Tische, die wie in einem echten Hotelrestaurant stilvoll und edel mit feinen Gläsern und Tellern sowie passendem Geschirr eingedeckt werden.
Die Schüler schauen hin und erleben, was ihnen Spaß macht. Die Firmenchefs bzw. Ausbilder stellen im gleichen Moment mit einem fachmännischen Blick fest, wer ggf. Talent für eine Tätigkeit hat – und sprechen genau diese Jugendlichen noch am Aktionsstand gezielt an. Doch das alleine reicht längst nicht mehr. Der mehrstündige Schüler-BOP in der Hauptschule und Realschule am 13. September (8 bis 13.30 Uhr, Heinrichstraße) wird inzwischen erweitert um den Familien-BOP am Tag zuvor. Hier sind dann an gleicher Stelle auch die Eltern und die Geschwister der Schüler willkommen.
„Der Familien-BOP ist allen Beteiligten sehr wichtig, denn die Ausbildungs- und Berufsplanung wird in wesentlichen Teilen von den Eltern mitbestimmt“, verdeutlicht Magdalena Antonczyk aus den Reihen der Maßarbeit des Landkreises. „Mit der Elternberatung möchten wir den Unsicherheiten der Eltern in diesem Zusammenhang entgegenwirken“, fügt sie hinzu. Die Möglichkeiten einer klassischen Lehre werden dabei ebenso von Fachleuten vorgestellt wie auch das Duale Studium.
„ Wir geben beim Familien-BOP auch tiefe Einblicke in Bewerbungen und Berufsbilder in der heutigen Zeit“, ergänzt Hauptschulleiterin Dorte Hierse. Auch sie hält das vorabendliche Treffen am 12. September (18 bis 20 Uhr) für eine wichtige Kontaktbörse. „Diese Veranstaltung bietet die besten Chancen zu sehen, was den eigenen Kindern von den Unternehmen angeboten wird“, so Hierse.
Die Idee und das Konzept des Bramscher BOP – rund 800 Schüler aus Haupt- und Realschule, Gymnasium und örtlicher Gesamtschule sind dabei – hat inzwischen einen Siegeszug in der Region Osnabrück angetreten. In Wallenhorst, Melle, Fürstenau, und Georgsmarienhütte werden sehr ähnliche Angebote für Schüler und Eltern entwickelt. Die Blaupause dafür komme aus der Tuchmacherstadt, sagt Maßarbeit-Vertreterin Antonczyk und spricht deshalb von „einem Exportschlager“.
Wirtschaftsförderer Sandhaus hat unterdessen in den vergangenen Wochen – bei aller Freude über die BOP-Resonanz – auch eine Art Abwehrhaltung eingeübt. Und zwar immer dann, wenn Betriebe von außerhalb sich neu am Berufsorientierungsparcours beteiligen wollen. Für ihn haben die heimischen Firmen („So um die 40 als gute Größe“) mit ihren lokalen Ausbildungsplatzangeboten erst einmal Vorrang, nur ganz wenige überregionale Unternehmen oder Institutionen werden zugelassen.
Als Lernende („Hier sind wir gerade dabei unsere Erfahrungen zu sammeln“) sieht der Wirtschaftsförderer sich und seine Mitorganisatoren dagegen noch bei der Darstellung und Aufarbeitung im Online-Bereich. „Der BOP wird sich vermutlich in den nächsten Jahren immer etwas weiterentwickeln. Ich denke, das Thema Digitalisierung wird hier auch weiter an Bedeutung gewinnen“, sagt Sandhaus. Auf offene Ohren wird er mit dieser Ankündigung auf jeden Fall bei der Arbeitsagentur in Osnabrück stoßen. Diese rückt gerade erst das Thema „Wie Azubis ins Netz gehen“ und das entsprechende Werben um Lehrlinge in den Mittelpunkt. „Ziel ist es, den Unternehmen Anregungen zu geben, wie sie bei der Suche künftig erfolgreicher sein können“, teilt Arbeitsagentur-Pressesprecher Volkmar Lenzen mit. Mobile Recruiting heißt hier neudeutsch das Zauberwort. Eine besondere Rolle spielt dabei der Kontakt zum Jugendlichen über das Smartphone.
Zuletzt hatten zahlreiche Betriebe hierbei jedenfalls spürbar Probleme. Mehr als jedes dritte Unternehmen in der Region habe demnach im vergangenen Jahr nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen können. Das sei das Ergebnis einer Ausbildungsumfrage der Industrie- und Handelskammer, an der sich im Frühjahr mehr als 120 Unternehmen in der Region Osnabrück-Emsland sowie der Grafschaft Bentheim beteiligt hatten, ließ die IHK wissen. „Die Besetzungsprobleme der Unternehmen verschärfen sich durch die Auswirkungen des demografischen Wandels und den anhaltenden Trend zum Studium“, sagt Eckhard Lammers, stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Leiter des Geschäftsbereiches Aus- und Weiterbildung.
„Immerhin, wir sind hinter den Tischen hervorgekommen“, gibt sich der örtliche Haustechnik-Unternehmer Mathias Strehl dennoch betont kämpferisch. Er will einmal mehr offensiv auf die Bramscher Schüler zugehen – und auf deren Eltern.
Bramscher Nachrichten, Marcus Alwes, 21.08.2018